Nacktgespenst Fridolin
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Kalt pfiff der Wind, in der zweiten
Nacht des neuen Jahres, durch die Mauern des halb verfallenen Hauses,
am Ende der Dorfstraße und es hatte zu schneien begonnen, als die
Turmuhr der kleinen Kirche Mitternacht schlug. Als sie zum zwölften Male
schlug, tauchte aus dem Nichts ein nackter junger Mann auf, setzte sich
auf den Schornstein und blickte mit leeren Augen über die verlassenen
Straßen. „FLOOOORRRRRRIIIIIIIII“, drang eine verzweifelt klingende,
warme männliche Stimme, leise wimmernd, an seine Ohren. Es gab Zeiten,
da hatte der Junge auf dem Dach auf diesen Namen gehört, doch als
Nacktgespenst hieß er jetzt Fridolin …
Es war mittlerweile zwei Jahre und
sechs Monate her, seit seine Leiche splitternackt und mit abgetrenntem
Kopf drüben im kleinen Wäldchen gefunden wurde. Flori war damals gerade
sechzehn und seit drei Monaten mit seinem gleichaltrigen Freund
Benedikt, den er seit Kindergartentagen kannte, fest zusammen. Es gab
nichts, was die beiden Jungs in ihrem Leben nicht zusammen angestellt
hatten und als sie sich endlich ihre Liebe gestanden und richtig
miteinander schlafen wollten, schien ihr Glück perfekt. Leider kam es
nicht mehr dazu, denn als Florian an dem vereinbarten Abend, Bene hatte
sturmfreie Bunde, vom Fußballtraining heimrannte und den Weg durch den
Wald abkürzen wollte, wurde der junge Mann hinterrücks überfallen,
vergewaltigt und geköpft …
So wurde aus dem schwulen Jugendlichen Florian das Nacktgespenst
Fridolin, welches seitdem Nacht für Nacht mit erregter Geistlichkeit
umherirrte, um sich durch die Betten der männlichen Dorfjugend zu bumsen
…
Ich vermisse dich so schrecklich
Flohooooooriii“, hörte er Bene leise schluchzen. Fridolin horchte auf,
stürzte sich vom Dach und schwebte zu dem Haus hinüber aus dem die so
vertraute Stimme zu ihm herüberdrang. Direkt zu dem Fenster im
Obergeschoss, wo ein einsames Windlicht leise und warm vor sich hin
flackerte. Er schaute hinein und erblickte seinen Benedikt, der
zusammengekauert im Bett lag und immer noch einsam und still vor sich
hintrauerte. Hätte der Geist noch ein Herz besessen das schlug, so wären
ihm beim Anblick seines Freundes die Tränen gekommen, so sehr litt er
unter dem Zustand des einstigen Freundes. Leise huschte er wie jede
Nacht durch das verschlossene Fenster ins Innere des Zimmers, glitt
vorsichtig unter die Bettdecke des Liebsten und drängte sich möglichst
dicht an ihn heran, dass seine 22 cm genau in Benedikts Poritze zu
liegen kamen. Ein leiser Seufzer entfuhr dem Schlafenden, als er das
Gemächt und die Nähe seines Freundes spürte und ein Lächeln huschte über
sein Gesicht.
Wie gerne wäre Fridolin mit seinem
Zauberstab ins Zentrum dieser wohlgeformten, strammen Halbmonde
eingedrungen, doch es war ihm solange per Gesetz verboten, bis Benedikt
die Gefühle der Liebe in ihm neu entfachte und damit Fridolins
Geisterherz zum Leuchten bringen würde. Als Bene endlich seine Ruhe
wiedergefunden hatte, huschte der Geist wieder aus dem Bett und
verschwand so, wie er gekommen war. Allerdings nicht, ohne dem Freund
von einst einen Kuss auf die Lippen gehaucht zu haben …
„STOPP … allgemeine
Geisterkontolle. Haben Sie ihre Flug- und Ficklizenz dabei?“, dröhnte
Fridolin die Stimme des Dorfgeistersheriffs entgegen, kaum dass er
wieder im Freien war. Nur widerwillig drehte der junge Geist dem
Ordnungshüter die Kehrseite zu und zeigte die erforderliche Tätowierung
auf der linken Arschbacke vor. Am liebsten hätte er dem fetten Kerl mit
Schwabbelbauch und grünem Nachthemd jetzt mitten ins Gesicht gefurzt.
Aber der Einsatz schwerer Betäubungsmittel ist Geistern unter 70 Jahren
nur im äußersten Notfall gestattet. „Okay Fridolin, dann will ich noch
mal Gnade vor Recht ergehen lassen, aber wenn ich Sie noch einmal mit
überhöhter Geschwindigkeit aus einem Haus heraus rasen sehe, werde ich
eine zweimonatige Flugsperre und zwei Punkte in Waldstadt gegen Sie
verhängen. Sie dürfen jetzt weiterschweben“, knatterte Müller eins und gab
Fridolin den Weg frei.
„Lustbremse“, zischte der junge Geist
leise vor sich hin, als er weit genug weg war. Der Dorfsheriff hatte
sich in der letzten Zeit regelrecht auf ihn eingeschossen. Nur weil
Fridolin erst seit zweieinhalb Jahren ein Geist war, glaubte der Spinner
ihn bei jeder Gelegenheit maßregeln zu dürfen. Alleine in den
vergangenen zwei Monaten hatte Müller eins ihn dreißigmal kontrolliert. Der
war in Wirklichkeit doch nur neidisch, weil er keinen mehr hoch bekam und
Fridolin mit einer Dauerlatte durch die Nacht flog ...
Baustellenreport II
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