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Dienstag, 13. Dezember 2011

Rico, der Straßenjunge und ich 8

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte ich bereits ein komisches Gefühl in der Magengegend, konnte aber nicht zuordnen warum. Ich duschte mich schnell, zog mich an und schlich leise die Treppe runter. Weil mein Dad noch schlief, konnte ich direkt zu Rico.

Die Morgenluft tat mir wirklich gut und befreite meinen Geist. Ich würde mich also bei meinen Eltern outen, soviel war klar. Nur wann wusste ich noch nicht genau. Aber heute kam meine Mum heim, also könnte ich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

An der Tram angekommen, blickte ich mich suchend um, als sich plötzlich von hinten zwei Arme um mich schlangen. Sofort waren alle schlechten Gedanken verscheucht und ich war wieder einfach nur glücklich. Ich drehte mich um und sah in das wunderschöne Gesicht von Rico. Wir küssten uns zärtlich. „Guten Morgen mein Süßer“, grinste ich ihn an. „Guten Morgen Schatz“, grinste auch Rico und wieder küssten wir uns. „Können wir wieder zu dir?“, fragte mich Rico. „Ja mein Dad schläft noch und merkt das nicht, wenn Du da bist.“

Rico grinste mich schelmisch an, „wir dürfen nur nicht zu laut sein“. Wir lachten beide laut und eine ältere Dame schaute uns böse an. Als wir fertig waren, machten wir uns auf den Heimweg. Dabei hielten wir wieder Händchen und konnten die Finger nicht voneinander lassen. Daheim angekommen zogen wir uns schnell aus und schlichen hoch in mein Zimmer.

Dort angekommen zog mich Rico sofort aufs Bett und wir küssten uns wieder. „Hey nicht so schnell Tiger“, lachte ich und setzte mich auf. Rico machte ein gespielt beleidigtes Gesicht und kam ebenfalls hoch. „Ich muss noch mit dir reden“, sagte ich ernst. Rico sah mich etwas ängstlich an. „Ich möchte mich bei meinen Eltern outen damit Du, vielleicht, hier wohnen kannst“, sagte ich und lächelte Rico an, der feuchte Augen bekam. „Das würdest du für mich tun?“, fragte er und ich merkte, dass er mit den Tränen kämpfte. Ich strich ihm zärtlich über den Kopf, „Ja das würde ich für dich tun.“ Rico umarmte mich stürmisch und so fielen wir beide nach hinten aufs Bett. Rico küsste mich und sagte, „so was Süßes hat noch nie jemand für mich getan.“ Seine Augen strahlten und in diesem Moment merkte ich richtig, wie sehr wir uns liebten. Sofort hatte ich wieder ein wunderschönes Kribbeln im Bauch. Wir schnäbelten noch einige Minuten miteinander bis Rico mich wieder aufstehen ließ.
„Es kann aber sein das meine Eltern das nicht so gut annehmen“, warnte ich Rico vor.

Dieser sah mich besorgt an „Wie meinst Du das?“ „Naja ich hab dir doch erzählt, dass mein Dad nicht gerade schwulenfreundlich ist. Unser letzter Nachbar war schwul und den naja hat mein Dad ziemlich beleidigt und angegangen, bis er ausgezogen ist.“ „Aber Du bist doch sein Sohn!“ Ich lächelte über Ricos Gutmütigkeit. „Naja ich hoffe dass ihn das von einem Rausschmiss abhält. Aber ich hab schon mit meinem besten Freund Georg was ausgemacht. Er holt uns ab, wenn es schiefgeht und ich kann dann für ’ne Weile bei ihm wohnen“.

Dennoch hoffte ich, dass alle gut gehen würde und Georg nicht Georg anzurufen brauchte. Doch das ungute Gefühl in mir wurde immer stärker. Gemeinsam mit Rico packte ich für den Fall das ich schnell weg musste meine Sachen. Danach kuschelten wir uns bis zum Nachmittag auf dem Sofa zusammen, hörten Musik und redeten.

Um 16 Uhr gingen wir dann gemeinsam runter. Rico blieb solange im Flur stehen und wir vereinbarten, dass ich ihn rufen würde, wenn ich ihn brauche. Meine Eldies waren gerade vom Einkaufen zurück und standen in der Küche. „Hallo, ich müsste mal mit Euch reden“. Mir steckte ein dicker Kloß im Hals und glaubte ich müsste mich sofort übergeben. Sie beachteten mich überhaupt nicht sondern packten fleißig aus. „Würdet Ihr mir bitte mal zuhören!“ Die Worte kamen etwas lauter und schärfer aus meinem Mund, als ich eigentlich wollte. Doch wenigstens hatte ich mein Ziel erreicht und sie schauten mich fragend an. „Was ist den Basti?“, fragte mich meine Mum in genervtem Ton. Ich spürte Wut ihn mir aufsteigen, dennoch versuchte ich, meinen Ärger runterzuschlucken. „Also … das ist mir jetzt sehr wichtig“, begann ich zögerlich und spürte, wie mir die Kniee weich wurden. Meine Wut wich wieder dieser Unsicherheit. War es wirklich der richtige Zeitpunkt? Aber dafür war es schon zu spät. Jetzt führte kein Weg zurück …

Wieder schauten mich beide erwartungsvoll an. „Ich hatte ja bisher noch nie eine Freundin, und … naja … kam euch das nie komisch vor?“ Mein Vater kicherte kurz. „Willst du uns damit etwa sagen, dass du schwul bist?“ „Und was, wenn es so wäre?“ „Ich denke das weißt du sehr genau!“ Ich fing leicht an, zu zittern. Obwohl es sehr warm in der Küche war, wurde mir plötzlich unendlich kalt. „Ja Dad du hast recht. Ich … ich bin schwul!“ Endlich hatte ich es raus, dennoch stellte sich bei mir keine Erleichterung ein. Die Angst vor meinem Vater war einfach zu groß. Beide schauten mich ungläubig an, von Wut war keine Spur in Ihren Augen zu erkennen, eher Unverständnis. Meine Mutter war, die erste die Ihre Stimme wieder fand. „Und warum sagst du uns das ausgerechnet Jetzt?“ „Weil … ich … ich habe einen Freund.“ In diesem Moment kam Rico rein und nahm meine zitternde total verschwitzte Hand. Meine Vater starrte uns mit großen Augen an. Dann fand auch er seine Stimme wieder. „Wie lang geht das schon?“ fragte er mit bebender Stimme. Ich spürte die Wut, die in seinen Worten mitschwang. Meine Knie drohten zu versagen so sehr zitterte ich. Nur dank Rico konnte ich mich noch auf den Füßen halten. Meine Kehle war plötzlich extrem trocken und das Antworten fiel mir scher. „Seit ein paar Tagen.“ „Habt Ihr es etwa schon in MEINEM Haus getrieben?“, schrie er beinahe heraus. Meine Augen fühlten sich mit Tränen, Meine Mum saß nur da und sagte gar nichts. Ich selber war unfähig zu antworten, weil ich spürte, dass die Situation aus den Fugen geriet und hoffte nur noch dass ER mich nicht rauswarf. „Ihr verlasst beide sofort mein Haus. SOFORT!!!“

Jetzt öffneten sich meine Kanäle. „Ist das Dein Ernst?“ fragte ich mit tränenerstickter Stimme. Mein Dad sprang auf und rannte auf mich los. Noch bevor ich oder Rico etwas machen konnten, wirbelte seine flache Hand durch die Luft und landete mit einem lauten Klatschen mitten in meinem Gesicht. Ich spürte nichts, keinen Schmerz, nur das meine Beine nachgaben und ich unsanft auf dem Boden landete. Das Letzte was ich erkannte war das wutverzerrte Gesicht meines Vaters. Dann wurde alles um mich herum schwarz …

Das Nächste, was ich wahrnahm, waren verschiedene aufgeregte Stimmen. Vorsichtig versuchte ich, meine Augen zu öffnen. Grelles Licht drang durch meine halb geöffneten Lider. Die Stimmen verstummten und ich sah ein Gesicht vor mir. Langsam erkannte ich Rico, der zärtlich mein Gesicht streichelte, und versuchte mich anzulächeln, was ihm aber aufgrund seiner roten Augen und dem besorgten Blick nicht recht gelang. Langsam richtete ich mich auf und war anfangs etwas orientierungslos. Ich war in einem kleinen Zimmer. Erst als ich Georg und seine Mutter erblickte, wurde mir klar, wo ich war. Irgendwie hatte Rico es wohl geschafft, mich aus dem Haus zu bekommen und Georg anzurufen. Frau Maiser setzte sich zu mir auf das Bett und sah mich eindringlich an. „Wie geht’s es dir jetzt?“ Die Tränen in meinen Augen waren wohl Antwort genug. Sie nahm mich in den Arm. „Du kannst solange bei uns bleiben, bis es Dir besser geht und auf eigenen Beinen stehen kannst“. Ich schluchzte hemmungslos. Rico kam näher und löste Frau Maiser mit der Umarmung ab. Er kraulte mir sanft den Nacken und streichelte über meinen Kopf. „Wir lassen Euch besser mal alleine“. Mit diesen Worten verließen Frau Maiser und Georg das Zimmer. Ich erwiderte Ricos Umarmung. Meine Tränen fluteten seinen Pulli, er nahm seinen Kopf von meiner Schulter und schaute mir tief in die Augen. „Es wird alles gut“, flüsterte er. Was sollte wieder gut werden? Meine Familie hatte mich rausgeworfen und mit meinem Gehalt konnte ich mir niemals eine eigene Wohnung leisten.

Nach fünf Minuten löste ich mich aus seiner Umarmung. Ich wischte mir die letzten Tränen aus dem Gesicht. „Es ist schon spät. Du solltest langsam los. Will nicht das Dir was passiert, wenn es später wird.“ „Hey, erstens lebe ich auf der Straße. Ich kann mich schon wehren und zweitens darf ich heute Nacht bei Dir bleiben“, Rico strahlte mich an. Mein Herz machte trotz allem einen kleinen Freudenhüpfer. Wenigstens heute Nacht war ich nicht alleine. „Du, ich geh besser noch mal duschen.“ Rico nickte kurz. Fast mechanisch schafften mich meine Beine zum Bad zu viele Gedanken rasten durch meinen Kopf. Im Bad angekommen zog ich mich aus und stieg in die Dusche. Ich hoffte, dass das warme Wasser meine Gedanken reinigen würde, doch das Einzige was kam war nackte Angst, Angst noch mehr zu verlieren, als ich eh schon verloren hatte. Wieder wurden mir die Knie weich wie bei meinem Outing, ich fing erneut an zu weinen und zitterte am ganzen Körper. Mit dem Rücken an der Wand rutschte ich langsam an den Fliesen runter. Meine Tränen mischten sich mit dem warmen Wasser, das über meine Brust lief. Immer wieder wurde ich von Heulkrämpfen geschüttelt. Mir war alles egal. Scheinbar schien mein Schluchzen das Rauschen zu übertönen. Denn plötzlich hörte ich ein Klopfen und Ricos besorgte Stimme. „Basti? Ist alles ok.“ Ich konnte nicht antworten, meine Tränen erstickten alles. Dann hörte ich, wie Rico sich vom Bad entfernte und mit Georg zurückkam. Sie entriegelten die Tür mit einer 50 Cent Münze und öffneten sie.

Rico rannte als Erster hinein, zog den Duschvorhang beiseite und kam sofort mit unter die Dusche. Er setzte sich still neben mich und ich lehnte mich an ihn. Rico schloss mich fest in seine Arme und drückte mich an sich. Georg erkannte, dass er hier fehl am Platze war, verließ das Badezimmer wieder und fing seine Mum ab. Zwar verstand ich kein Wort von dem, was sie redeten, aber sie entfernten sich wieder. Rico war mittlerweile total durchnässt, dennoch blieb er neben mir sitzen und hielt mich einfach nur fest. Langsam ließen meine Tränen nach. Rico stand nach zehn Minuten auf und zog mich vorsichtig mit hoch. Es fiel mir schwer und ich konnte mich nur mühsam auf den Beinen halten. Rico nahm sich ein Handtuch und trocknete mich damit ab. Danach hob er mich hoch und trug mich ins Gästezimmer zurück. Als ich nackt im Bett lag, zog er sich schnell aus und legte sich zu mir. Ich kuschelte mich eng an ihn und schloss meine Augen, doch Einschlafen konnte ich nicht. Nach einer halben Stunde spürte ich wie Rico versuchte, sich bequemer hinzulegen, ich öffnete meine Augen etwas und stütze mich auf. „Kannst Du auch nicht schlafen?“ „Nein, das alles geht mir noch so im Kopf rum. Hab Angst, dass ich Schuld daran bin.“ „Hey Rico, du bist daran nicht schuld ich musste mich ja mal outen. Und ohne dich wäre ich vielleicht nicht hier“. Wir küssten uns zärtlich. Wieder kuschelten wir uns zusammen. „Wenn wir sowieso nicht schlafen können. Würdest Du mir was über Deine Vergangenheit erzählen?“ Ich merkte, wie Rico nachdachte. Er sah mich an. „Du wärst der Erste, mit dem ich überhaupt darüber rede. Aber ich vertraue Dir“.

Und dann er begann zu erzählen …

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