6: Glück im Unglück
Während
Christian und Markus sorgsam Laub, Äste, und Brennholz an der Feuerstelle im
Zentrum des Zeltlagers aufschichteten, lagen Leon und Xaver eng aneinandergekuschelt
und versuchten zu schlafen. Was besonders für Xaver nicht ganz einfach war,
denn obwohl er Müde war, kreisten seine Gedanken immer wieder um die Vision,
die er gehabt hatte. Ihr war es zu verdanken, das 200 Ninjas anrückten, um das
Lager zu sichern und er jetzt mit Leon hier war, um seinem Neffen zu Hilfe
eilen zu können, falls es nötig würde. Hoffentlich würde es gelingen, die neun
Welpen aus dem Zeltlager zu entfernen, bevor sie weitere Jungs infizieren
konnten. Wenn dieser Plan nicht funktionierte, würde es zu einer Schlacht, ähnlich
der im Kölner Knabeninternat, kommen.
„Hoffentlich
geht unser Plan auf Leon“, flüsterte Xaver. „Mach dir darum keine Sorgen
Schatz, es wird gelingen“, antwortete Leon. Es musste einfach funktionieren,
alles andere würde einen Wirbel verursachen, der die Gaypire um Jahre
zurückwerfen und ihren Kampf gegen Vitali alias Ludolf Hinkel zusätzlich
erschweren, wenn nicht sogar unmöglich machen würde. Denn natürlich würde der
diesen Vorfall durch die ‚Geheime Wolfsstaffel’ prüfen und nach den Tätern
suchen lassen, was ihn über kurz oder lang auf die Spur der Gaypire bringen
würde …
Im Zeltlager
waren die Vorbereitungen für das abendliche Lagerfeuer inzwischen beendet und
Christian hatte sich mit Xavers Neffen an den See zurückgezogen, wo sie nach
schweißtreibender Arbeit Abkühlung suchten, während alle anderen Jungs und
deren Betreuer sich wieder im Lager befanden. Jedenfalls dachten sie das, als
sie sich auszogen, um splitternackt in den See zu springen. Während Chris und
Markus ausgelassen im Wasser tollten, und versuchten sich gegenseitig unterzutauchen,
rannten an Land drei Jungs zu dem Platz, wo ihre Sachen lagen, schnappten sie
sich und verschwanden, wie sie gekommen waren, nachdem einer von den Dreien
einen mit Buchstaben aus Tageszeitungen zusammengeklebten Brief den er ablegte
und mit einem Stein beschwerte, damit er auch garantiert nicht von einem
zufälligen Windstoß davongeweht wurde.
„Mei, wo san
denn unsre Sachen?“, fragte Markus, als Chris und er 40 Minuten später wieder
aus dem Wasser kamen und tropfnass ihren Liegeplatz erreichten. Chris erster
Blick fiel sofort auf den Zettel, der im Gras lag, während Markus glaubte, dass
sie an der falschen Stelle aus dem See gestiegen waren und die nähere Umgebung
mit den Augen absuchte. Christian legte den Stein beiseite, hob die deponierte
Nachricht auf, und überflog sie:
‚KEIN VOLKSDEUTSCHER IST BESCHNITTEN NICHT!
FASST DU JUDENSCHWEIN EINEN UNSERER KAMERADEN AUCH NUR AN, MACHEN WIR DICH
FERTIG!
SCHAU DICH AB SOFORT BESSER ZWEIMAL UM!’
Chris versuchte
den Drohbrief vor Markus zu verstecken, um ihn nicht zu beunruhigen, doch der
hatte ihm über die Schulter geschaut und mitgelesen. „Des woar b’stimmt der
Huber Micha, der hat so oan Hass auf dera Juden“, sinnierte der junge Münchener
verängstigt. „Markus, ich bin kein Jude“, reagierte Franzenstein. „Mei und
warum bist dann beschnitten?“ „Weil ich eine so enge Vorhaut hatte, dass es mir
jedes Mal wehtat, wenn sich mein Puller versteifte“. Chris sprach nicht gerne
über diesen operativen Eingriff, und wenn Markus ihn nicht danach gefragt
hätte, dann hätte er es auch am liebsten verschwiegen …
„Wir müssen
sofort nach Waffenbrunn“, schrie Xaver mit weit aufgerissenen Augen. „Irgendwas
stimmt nicht mit Markus und Christian“. Er hatte die beiden im Traum
splitternackt und verängstigt an einem See stehen sehen. Leon wusste zunächst
nicht, wie ihm geschah, als von Beutelstein aus dem Bett sprang, Jagdkleidung
und zwei Hosen, aus ihren Koffern zerrte und aufs Bett warf. „Jetzt zieh dich
bitte an Leon, wir dürfen wirklich keine Zeit verlieren“, drängte Xaver seinen
Freund. So schnell es ihnen möglich war, stiegen sie in die Uniformen der Waidmänner,
eilten zu ihrem Auto und fuhren wenig später die paar Kilometer bis
Waffenbrunn. Unterwegs erzählte Xaver aufgeregt, was er diesmal in seiner
Vision gesehen hatte …
„Mei wos hammer
denn doa, zwoa Nacktärsche“.
Aufgeschreckt drehten Markus und Christian sich um und sahen zwei Jäger
auf sich zueilen, die sie erst auf den zweiten Blick erkannten. „So meine Herren,
Sie werden uns jetzt ohne Widerworte ins Forstamt begleiten“, ordnete Leon an
bevor sie Chris und Markus in ihre Mitte nahmen und zu ihrem Fahrzeug führten,
sie hinten einsteigen ließen und kurz darauf losfuhren. „Greift mal unter die
Rückbank, da haben wir Hosen für euch deponiert“, ordnete Xaver breit grinsend
an.
Nachdem die
beiden der Anweisung Xavers gefolgt waren, hielt Leon das Fahrzeug an und die
vier jungen Männer stiegen aus und setzen sich gemütlich auf eine Wiese in der
Nähe. „Jetzt klärt mich mal auf Jungs, was war überhaupt los?“, fragte Leon,
woraufhin Chris ihm und Xaver den ‚Liebesbrief’, der Wolfsjungen zeigte.
„Markus kommst du mal bitte mit mir? Ich glaube die Zeit ist reif, dir etwas zu
erklären“. Der schaute seinen Onkel zunächst mit fragenden Augen an, ging dann
aber mit.
„Markus, was
weißt du über Werwölfe?“, fragte Xaver, nachdem sie ein Stück weiter gegangen
waren. „Also laut dem Mythos sollen dass Menschen sein, die sich bei Vollmond
in Wölfe verwandeln und sich dann auf die Jagd begeben ihre Opfer entweder zu
töten oder ebenfalls zu Wolfsmenschen zu machen. Aber die gibt’s doch nicht
wirklich.“ „Markus, es gibt sie Leon und ich, haben in den zwanziger Jahren
mehrfach gegen sie kämpfen müssen. Doch das ist nichts, gegen das was uns jetzt
bevorsteht. Unser Land wird vom Vater aller Werwölfe regiert. Was meinst du
wohl, warum eure tolle Organisation Wolfsjugend heißt?“ Darüber hatte Markus
eigentlich niemals nachgedacht. „Meinst du das ernst?“, fragte der junge
Münchener unsicher. „Markus wir kennen uns schon so lange, habe ich dich jemals
angelogen?“, fragte Xaver, dessen Augen dabei kurz grünlich weiß aufblitzten.
Lang genug, dass es Leon und Christian wahrnehmen konnten, aber zu kurz für die
menschlichen Augen von Markus.
Der schwieg
eine Weile und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Dann blickte er seinem Onkel
fest in die Augen und antwortete leise: „Nein, das hast du niemals“. Beide
sahen sich schweigend in die Augen, dann griff Xaver die rechte Hand seines
Neffen und sie setzten sich genau gegenüber ins trockene Gras. „Markus da ist
noch etwas, was du über Leon und mich wissen musst“, begann von Beutelstein und
Herz schlug ihm dabei bis zum Hals. „Was denn?“, fragte Markus mit
Verunsicherung in der Stimme. „Leon und ich …“ Xaver atmete ein letztes Mal
tief durch, „… also wir sind keine gewöhnlichen Menschen mehr“. Es gab kein
zurück mehr, Markus sollte es endlich wissen und dann für sich selber
entscheiden, wie er damit umging. „Wir sind Gaypire“, vollendete er den Satz. „Ihr
seid was?“ „Gaypire, das sind Vampire, die sich von der Sahne ernähren, die sie
hübschen jungen Männern wie dir aus den Pullern saugen“.
„Ihr seid ein
Paar oder?“, fragte Markus lächelnd, nachdem er die letzten Informationen
verarbeitet hatte. „Ja sind wir, das darf aber niemand erfahren. Du weißt, was
mit Homosexuellen im Deutschen Reich geschieht oder?“ „Ja und ich hab selber
Angst davor“, antworte er mit Tränen in den Augen. „Du kennst doch den
Christian oder? Das hat er mir jedenfalls heute im Wald erzählt“, schluchzte
der junge Münchener. „Ja, er gehört auch zu uns“, flüsterte Xaver und wischte
seinem Neffen die Tränen aus den Augen. „Hast du dich in ihn verliebt?“ Markus
nickte bejahend und schaute kurz zu Chris und Leon hinüber, die sich auch zu
unterhalten schienen. „Markus liebst du ihn so sehr, dass du bereit wärest, wie
wir zu werden?“ Der junge Münchener überlegte nicht lange, dann atmete er tief
durch und antwortete mit fester Stimme: „Ja, und obwohl ich Christian noch
nicht lange kenne, bin ich bereit ein Gaypir zu werden, nur um ihm immer Nahe
zu sein“. Minutenlang schauten sich die beiden jungen Männer in die Augen, dann
fielen sie sich gegenseitig in die Arme. Xaver fiel in diesem Augenblick ein
zentnerschwerer Stein vom Herzen. Sie standen auf und kehrten Arm in Arm
lächelnd zu Leon und Christian zurück, die hatten vor ein paar Minuten Zuwachs
bekommen, denn Yashito Honda saß bei ihnen. Er war alleine dort, weil Rupert
zeitgleich in Berlin weilte. Einer der GWS-Agenten war nach einem Trainingsunfall
mit gebrochenem Bein ausgefallen und von Beutelstein wollte die ‚Operation:
Hässliches Entlein’ jetzt persönlich zum Erfolg führen.
„Chris, nimmst
du mir bitte deinen Freund ab?“, fragte Xaver zwinkernd, nachdem er und sein
Neffe den Japaner begrüßt hatten. Der stand auch direkt auf, nahm seinen Schatz
in die Arme und küsste ihn, bevor sie sich zu den anderen setzten. Xaver hatte
eine recht spektakuläre Idee, wie man seinen Neffen innerhalb der nächsten Tage
aus dem Zeltlager schaffen könnte. „Verstehst du Yoshi? Es muss aussehen, als
wäre Markus beim Baden im See ertrunken“, erklärte der junge Bayer. „Lasst mich
kurz überlegen“, bat der Asiate und hatte bereits kurze Zeit später die Lösung.
„Ich habe eine sehr alte Droge, welche die Körperfunktionen für mindestens 48
Stunden soweit herunterfährt, dass diese nicht mehr wahrnehmbar sind. Die
Ninjas haben sie früher eingesetzt, um die Leichenstarre vorzutäuschen, wenn
sie in Gefangenschaft gerieten“. Er suchte kurz in einem seiner Beutel, die er ständig
bei sich trug, und übergab Chris etwas, das wie ein ganz normales kleines
Bonbon aussah.
„Markus darf
aber erst in den See, wenn es sich vollständig in seinem Mund aufgelöst hat.
Sobald er dann im Wasser ist, treten innerhalb kürzester Zeit Lähmungserscheinungen
auf, die Atmung setzt auf und er sinkt auf den Grund, noch bevor sich seine
Lungenflügel mit Wasser füllen können.“ „Hat es irgendwelche Nebenwirkungen?“,
fragte Xaver besorgt. „Sobald er aufwacht, wird er mindestens drei Tage
sexhungrig sein, wie ein rolliger Kater, mit Dauererektion*“, antwortete
Yashito grinsend.
*in abgeschwächter Zusammensetzung wird die Droge heute
als VIAGRA vertrieben. (Anmerkung des
Verfassers)
„Markus, du
musst es nicht machen, wir finden sonst auch einen anderen Weg, dich da
rauszuholen“, bot Xaver seinem Neffen an, obwohl er ihm ansah, dass dieser die
in Aussicht gestellte Nebenwirkung recht anregend fand. Die Beule in Markus’
Hose und sein freches Grinsen, mit dem er Christian ansah, sprachen Bände.
„Nein, is scho recht!“, entgegnete der junge Münchener mit einer ablehnenden
Handbewegung. „Und das Welpenproblem löst sich mit etwas Glück spätestens
morgen früh. Die Kusenbergs haben von mir Ketten mit Davidsternen bekommen, die
sie den Neun heute Nacht umhängen sollen, wenn sie schlafen“. „Davidsterne?“,
hinterfragten Christian und Markus erstaunt. „Genau und der Lagerleiter wird
einen anonymen Tipp erhalten, dass sich im Zeltlager neun jüdische Jungs
befinden, du kennst die Jungs übrigens Markus“, ließ Leon durchblicken. „Mei
jetza soagts net, der Huber Micha is’ doa dabei“, sprach Markus eine spontane
Vermutung aus.
„Genau der und
die anderen acht Jungs aus dem Zelt ebenfalls. Wobei ich bei Micha, nachdem was
ich heute über ihn gehört habe, davon ausgehe, dass er ihr Leitwolf ist“, ließ
von Beutelstein durchblicken und berichtete Chris und seinem Neffen, von den
Visionen, die er in letzter Zeit hatte. „Gut, dass du nicht mehr bei denen im
Zelt bist, Schnuffel“, bemerkte Franzenstein, nachdem Xaver mit seinen Ausführungen
fertig war. Von Beutelstein war, ohne dass Markus es mitbekam, in dessen
Gedanken eingedrungen und hatte festgestellt, dass sein Neffe wirklich nicht
wusste, auf was er sich er sich einließ, als er in die WJ eintrat. Wie viele
andere auch war Markus, dem Ruf Hinkels gefolgt, ohne darüber nachzudenken.
„So dann seht
jetzt besser zu, dass ihr zurückkommt, bevor ihr vermisst werdet“, schlug von
Beutelstein vor. „Markus wir sehen uns spätestens in Törzburg wieder“, setzte er
nach, bevor er den Neffen zum Abschied umarmte …
„Wo habt ihr
denn gesteckt, wir suchen euch schon überall“, riefen Matthias und Johannes
Kusenberg den beiden jungen Männern schon von Weitem entgegen. „Wir mussten mit
aufs Forstamt, irgendwelche Spaßvögel haben uns unsere Kleider gestohlen, als wir
vorhin im See gebadet haben“, rief Christian laut zurück. ‚Dank Leon und Xaver haben wir jetzt wenigstens wieder Hosen
am Arsch. Xaver hatte wieder eine Vision und er geht jetzt davon aus, dass Micha
Huber der Leitwolf der Welpen ist.’ „Euch kann man auch keine zehn Minuten
alleine lassen“, scherzte Matze noch, bevor Markus und Chris in ihrem Zelt
verschwanden, wo schon die nächste Überraschung auf sie wartete. Irgendwer
hatte offensichtlich ihre Sachen durchwühlt, und als ob das noch nicht genug
wäre, wurden sie von Micha Huber aus dem Zelt gerufen. „Ihr zwoa sollts euch sofort
beim Rimmel melden“, bellte er mit einem fiesen Grinsen auf dem Gesicht. Ohne
zu wissen, was überhaupt los ist, gingen die beiden zur kleinen Blockhütte des
Lagerleiters hinüber traten wenig später ein und meldeten sich wie befohlen. Das
Donnerwetter, welches dort über sie hereinbrach, ließ ihnen die Ohren klingeln.
„Im Zeltlager
ist gestohlen worden und dieses Diebesgut wurde bei ihnen beiden im Zelt gefunden
und sichergestellt. Außerdem ist mir zu Ohren gekommen, dass sie nackt
im See gebadet und dort Unzucht miteinander getrieben haben“, polterte Rimmel los,
ohne Christian und Markus überhaupt eine Chance zur Verteidigung zu lassen. „Sie
beiden werden SOFORT ihre Sachen packen und das Zeltlager verlassen. Tun
sie dies nicht, werde ich sie morgen früh der Polizei übergeben. Haben Sie mich
verstanden?“, bölkte Rimmel, ohne zu ahnen, welchen riesigen Gefallen er den
beiden jungen Männern im Grunde damit getan hatte. „Antworten Sie gefälligst,
wenn ich Sie etwas frage! Haben Sie mich verstanden?“, wiederholte der
Lagerleiter, dessen Halsschlagadern zornig bebten. „Ja“, antworteten Markus und
Chris, bevor sie auf den Absätzen kehrt machten.
Erst als sie
wieder draußen standen, wurde ihnen bewusst, was in den letzten Stunden passiert
sein musste. Huber und seine Jungs hatten ‚Diebesgut’ in ihrem Zelt versteckt
und sie zusätzlich wegen homosexueller Handlungen bei Rimmel angeschwärzt. Der
hatte nach den gegen sie erhobenen Vorwürfen natürlich sofort das Zelt durchsuchen
lassen, ohne dass es irgendwer mitbekam, deshalb konnten die Kusenberg Brüder Christian
und Markus auch nicht vorwarnen. Die staunten nicht schlecht, als sie die
beiden kurze Zeit später ihre Sachen packen sahen. ‚Wir
sind dank dem Huber Micha aus dem Lager geworfen worden.’ ‚Und wohin wollt ihr
jetzt?’ ‚Erstmal in den Nachbarort zu Leon und Xaver. Spätestens übermorgen werden
Markus und ich direkt nach Törzburg weiterreisen. Passt auf euch auf Hannes …’
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