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Mittwoch, 26. Dezember 2012

Halbblut 10

2


S
chweißgebadet fuhr Vinc aus dem Schlaf hoch. Am ganzen Körper zitternd erinnerte er sich der Bilder, die er im Traum gesehen hatte.

Er war in Inverness -- angekettet in einer mittelalterlichen Schmiede und musste tagein, tagaus, mit seinem Drachenfeuer die Eisen seines Herrn zum Glühen bringen, damit dieser sie mit Hammer und Amboss zu Schwertern und anderen schweren Waffen formen konnte.


Dass es sich um genau diesen Ort handeln musste, wusste er deshalb so genau, weil er kurz vorher noch stolz, gemeinsam mit anderen Drachen über den angrenzenden Wald fliegend hinwegflog, um im Loch Ness nach Fischen zu jagen. Wie aber konnte es sein, dass er in Gefangenschaft geraten war und wieso fand er sich plötzlich bei diesem Schmied wieder, der ihn noch nicht einmal gut behandelte? Alten stinkenden Fisch bekam er meistens zu fressen, und wenn er sich weigerte, Feuer zu spucken wurde er von dem Gesellen ausgepeitscht oder gebrandmarkt.


Dann war da plötzlich dieses Flammenmeer, von dem er eingeschlossen war, es roch ekelhaft nach verbranntem Fleisch -- Menschenfleisch, aber was war geschehen? Hatte der Drache sich gewehrt? Hatte er die Schmiede in Schutt und Asche gelegt? Vinc wusste es einfach nicht. Waren das wirklich seine Erinnerungen oder die eines seiner Vorfahren aus grauer Vorzeit?


*****

„VORSICHT REXOR --“, schrie Laurin und saß dann kerzengerade mit weit aufgerissenen Augen, an Schnappatmung leidend im Bett.

Orientierungslos blickte er sich um und sah zunächst nur Joe, der sich verschlafen die Augen rieb. Sein Blick wanderte auf die andere Seite zu Vinc, der ihn fragend anblickte. Erleichterung machte sich in ihm breit, er atmete entspannt auf, legte sich zurück aufs Kopfkissen und kuschelte sich wieder richtig ein.


„Was war denn mit dir gerade los?“, fragten Vinc und Joe wie aus einem Mund.


„Ich weiß auch nicht so genau, aber ich hatte gerade voll den verrückten Traum“, antwortete der Halbasiate leise und versuchte sich daran zu erinnern, was inan seinem Traum so erschreckt hatte, dass er davon wach wurde.


Obwohl es doch noch gar nicht so lange her war, erinnerte Laurin sich nur noch daran, wie er als Agribaal, zusammen mit Rexor und anderen Drachen über den Wald hinweggeflogen war und wie Rexor und er als erste in den Loch Ness eintauchten. Da war plötzlich wie aus dem Nichts dieses Fischernetz, auf das sein Freund direkt zu schwamm. Er wollte ihn noch warnen, als es sich auch schon so eng um den Körper des Wasserdrachen schloss, dass dieser keine Chance mehr hatte, sich daraus zu befreien. Wobei er nicht wusste, was weiter passierte, weil er da bereits aufgewacht war.


Jetzt erzählte Vinc seinen beiden Freunden, von was er geträumt hatte.


„Diese Waffenschmiede -- war die zufällig am vorderen Dorfrand?“, fragte Joe, der ebenfalls einen seltsamen Traum gehabt hatte.


„Kann schon sein“, antwortete der Achtzehnjährige seinem Freund, „warum fragst du?“


„Naja -- weil ich geträumt habe, dass ich der Sohn eines Waffenschmieds war, der hier unten in Inverness mit seine Familie lebte. Ich muss etwa acht Jahre alt gewesen sein und irgendwann bekamen wir einen Drachen, um den ich mich zu kümmern hatte, wenn die großen ihr Tagwerk verrichtet hatten. Also ich musste ihn des Abends mit Futter versorgen und seine Wunden pflegen, wenn mein Vater und der Geselle ihn mal wieder gar zu doll ausgepeitscht hatten. Wie traurig der mich immer aus seinen smaragdgrünen Augen angeblickt hat, das tat mir so weh in meinem kleinen Herzen. Irgendwann bin ich dann, als alle andern geschlafen haben, zu ihm hin, habe ihn von seinen Ketten befreit und wir sind dann zusammen runter zum Loch Ness gegangen, wo wir die halbe Nacht im See gebadet haben und er sich mit frischen Fischen den Bauch vollschlagen konnte. Das haben wir fortan jede Nacht gemacht, bis mein Vater mich einmal dabei erwischte, wie ich den Drachen gerade losmachen wollte. Da ist er zornig auf mich losgegangen und hat mich verprügelt, bis ich die Besinnung verlor.“


Nachdenklich geworden, sahen sich die drei Jugendlichen abwechselnd an. War es Zufall, dass sie im Grunde den gleichen Traum hatten, der sich nur in Abschnitten und der Perspektive unterschied. Oder waren es Erinnerungen aus einem früheren Leben, die sie jetzt Jahre nach ihrer Wiedergeburt, hier im schottischen Hochland, in Form von Träumen wieder einholten? Wenn dies wirklich so war, dann zeigten die Porträts an der Höhlendecke wirklich ihr früheres Selbst. Es könnte aber ja auch sein, das ‚ihre‘ Abbilder dort, Teil einer Prophezeiung waren. So viele Fragen, auf die es für den Augenblick keine schlüssige Antwort gab. Vielleicht würden die drei Jugendlichen bei ihrer Suche in der Höhle zumindest erste Antworten darauf finden können.

*****

„Verschwindet von hier --- ihr Ausgeburten der Hölle“, krächzte ein alter Mann auf Gällisch aus seinem Fenster und warf einen Blumentopf, der Laurin, Vinc und Joe nur knapp verfehlte und auf dem Straßenpflaster in 1000 Stücke zersprang.

Es heißt zwar in einem geflügelten Wort, ‚sag es durch die Blume‘, aber eine derartig feindselige Begrüßung hatten die Drei dann doch nicht erwartet, als sie die Burg gegen 10:30 Uhr und in bester Stimmung verlassen hatten. Als sie kurz darauf noch von weiteren Einwohnern, mit den wildesten Flüchen belegt wurden, die sich bekreuzigten und die Straßenseite wechselten, wussten sie überhaupt nicht mehr, was sie von der ganzen Sache halten sollten. Was hatten diese Leute nur? Wieso verstanden sie schottisches Gälisch, obwohl sie es bisher noch niemals vorher gehört oder gelernt hatten?

„Kommt hier rein --- schnell“, forderte sie ein etwa vierzigjähriger Mann auf Englisch zum Betreten seines kleinen Ladens auf, als sich ihnen eine kleine Gruppe randalierender Jugendlicher aus drei Richtungen näherte. Ohne länger zu überlegen folgten sie der Aufforderung und flüchteten sich in das Geschäft, wo der Inhaber die Tür sofort verriegelte, kaum dass sie durch waren.

„Die Menschen sind sehr abergläubisch und heute ist der sechshundertste Jahrestag des großen Feuers“, begann der Mann zu erklären, nachdem er seine etwas unfreiwilligen Besucher ins Hinterzimmer gebeten hatte.

„Das große Feuer?“, fragte die Jungs erstaunt.

„Genau hier, wo jetzt mein kleiner Laden steht, gab es bis vor sechshundert Jahren eine Waffenschmiede. Man erzählt sich, dass der Schmied sich einen Wasserdrachen gehalten haben soll. “

„Den er misshandelt hat richtig?“, warf Joe ein, dem wie Vinc und Laurin langsam ein Licht aufging.

Der Vierzigjährige, der sich den Jungs zwischenzeitlich als, Evan McGregors Neffe Rouven Depp vorgestellt hatte, nickte nur und bat die Drei ihm in seine Privatwohnung zu folgen, wo sie wenig später in dessen Bibliothek ihre Unterhaltung fortsetzten.

*****

„Ich habe da etwas, dass ihr euch einmal ansehen solltet“, erklärte er und zog ein altes, in Leder gebundenes Buch aus einem der Regale.

Das Besondere an diesem Buch war, dass es keines jener, seit der Erfindung der Buchdruckkunst verbreiteten war, sondern es bestand aus in Größe und Material unterschiedlichen Seiten, die einzeln mit dem Einband vernäht worden waren. Handgeschrieben und mit detailreichen Zeichnungen versehen -- war es ein Zeugnis längst vergangener Tage. Eine uralte Chronik des Gebietes um Inverness, von der Besiedlung des Drachenlandes durch die Menschen, bis hinein in die Zeit jenes Ereignisses, welches als das große Feuer in die Geschichte einging.

Ungläubig starrten sie auf eine Zeichnung, die Depp herausgesucht hatte. Eine Zeichnung, auf der deutlich die Gesichter von Vinc und Laurin wiederzuerkennen waren. Und darunter standen in kindlich ungelenker Handschrift die Namen Rexor und Laurin.

„Diese Zeichnung stammt von Joseph Weasley, dem jüngsten Sohn des Waffenschmieds, er wurde von Connor McGregor in Pflege genommen, nachdem Rexor und Agribaal ihn aus den Flammen gerettet und zur Burg gebracht hatten“, erklärte James, „das geht aus alten Aufzeichnungen hervor, die sich im alten Teil der Bibliothek von McGregor Manor befinden.“

„Das erklärt zumindest, warum sich die Handschrift auf den letzten Seiten deutlich von den anderen unterscheidet“, sinnierte Joe, der aufgrund der Deckenmalerei in der Höhle vermutete, der wiedergeborene Weasley zu sein. „Aber wieso hast du diesen Teil der Chronik, obwohl sich wie du sagst, weitere in der Bibliothek von Mc Gregor Manor befinden?“

Die Beantwortung dieser Frage interessierte auch Vinc und Laurin, woraufhin Depp erklärte, dass er vor ein paar Tagen geträumt hatte, wo er diesen verschwundenen Band finden könne und daraufhin in der Nähe einer verschütteten Höhle oben im Wald gegraben habe.

*****

„Was habt ihr jetzt vor?“, fragte Rouven, nachdem die drei Jugendlichen ihm von Joes Entdeckung und ihren Träumen in der vergangenen Nacht berichtet hatten.

„Wir wollen heute gemeinsam in diese Höhle tauchen und versuchen hinter ihr Geheimnis zu kommen“, antwortete Laurin.

„Ich würde euch gerne dabei begleiten, ihr müsst wissen ich bin leidenschaftlicher Sporttaucher. Komisch -- das mir dieser Unterwassertunnel, den Joe beschrieben hat, bei meinen früheren Tauchgängen im Loch Ness niemals aufgefallen ist.“

„Er ist auch auf den ersten Blick nicht zu erkennen“, gab Joe zu bedenken.

„Nehmt ihr mich bitte mit?“, fragte der Vierzigjährige, der darin eine Chance sah, sich endgültig mit seinem Paten auszusöhnen.

Hierzu muss man wissen, dass Rouven Depp bei seinem Onkel aufgewachsen war. Evan sah in dem jungen Mann seinen legitimen Nachfolger als Drachenhüter, doch James wollte etwas anderes machen und darüber kam es zu einem Streit, worauf der damals 21jährige McGregor Manor verließ und sich in Inverness mit dem Laden eine eigene Existenz aufbaute. Zwar näherte man sich im Laufe der Jahre wieder an, aber es war zwischen ihnen nie wieder ganz so geworden, wie vor dem Streit.

„Wisst ihr -- ich habe viel nachgedacht in der letzten Zeit, mein Onkel ist nicht mehr der Jüngste und warum soll ich ihm seinen Herzenswunsch nicht doch erfüllen und sein Nachfolger als Drachenhüter werden.“

Die Vier verstanden sich mit jeder Minute besser und für Laurin, Vinc und Joe stand längst fest, dass sie ihn mitnehmen würden, besonders auch gerade deshalb, weil der Sporttaucher alles hatte, was sie für ihre kleine Exkursion zusätzlich benötigten. Und wenn sie ihm dabei helfen konnten, den Familienfrieden endgültig wieder herzustellen so war es ihnen doppelt Recht.

„Wir nehmen dich mit Rouven.“

*****

„Oh, wir haben Besuch?“, fragte eine etwa 37jährige blonde Frau, die soeben mit einem etwa zweijährigen Kind auf dem Arm ins Zimmer trat.

„Ja, Liebling. Das sind Laurin, Vinc und Joe, sie sind zur Zeit auf McGregor Manor zu Gast“, stellte er seine Frau die jugendlichen Besucher vor.

„Angenehm und ich bin Linda und dass hier ist unser Sohn Evan“, stellte die junge Frau mit den blauen Augen sich lächelnd vor, nachdem sie ihren Mann geküsst und ihm den Kleinen aufs Auge gedrückt hatte.

„Hat mein Mann euch schon etwas zu trinken angeboten?“

Nachdem die drei Jugendlichen, dieses verneinten, bot sich die Frau des Hauses sofort an, dieses nachzuholen, frischen Tee zu brühen und eine Kleinigkeit zum Essen zu machen. Ein Angebot, welches Vinc, Joe und Laurin nicht ausschlagen wollten, zumal es ja noch einige Stunden dauern würde, bis sie zum Loch Ness aufbrechen würden.

Wenig später beim gemeinsamen Essen stellte sich heraus, das Linda bis zur Geburt ihres Sohnes, in der medizinisch/wissenschaftlichenForschungsabteilung auf McGregor Manor gearbeitet hatte und später auch wieder zurückkehren würde.

„Ihr braucht wirklich keine Angst vor dem zu haben, was euch nächste Woche erwartet. Wir sind ein richtig gutes und freundliches Team, es geht wirklich lediglich darum, eure künftige medizinische Betreuung bestmöglich gewährleisten zu können. Dafür sind halt einige Tests nötig“, versicherte ihnen die Wissenschaftlerin, die am Vormittag kurz bei ihren Kolleginnen und Kollegen vorbeigeschaut hatte, um wenigstens so, während der Babypause auf dem Laufenden zu bleiben.

„Danke Linda -- jetzt bin ich beruhigt“, gestand Vinc, weil er sich, wie er kurz erklärte, schon als eine Art Versuchskaninchen gesehen hatte.

Linda wusste nur zu gut, dass es in gar nicht allzuferner Vergangenheit Ärzte gab, die Halbdrachen wirklich als Versuchskaninchen angesehen und diese entsprechend ‚be-/misshandelt‘ hatten. In einigen Konzentrationslagern der Nationalsozialisten und selbst später noch in der ehemaligen DDR und anderen Ländern wurde geheim eine Art Rassenforschung betrieben, bei der diese Ärzte nicht davor zurückschreckten, selbst an lebenden ‚Objekten‘, Versuchsreihen durchzuführen, die jeder normale Human- oder Veterinärmediziner aus Gewissensgründen abgelehnt hätte.

Gerade deshalb, weil es auch jetzt noch an einigen Kliniken Ärzte gab, die nur auf eine solche Gelegenheit warteten, war die Arbeit, welche auf McGregor Manor geleistet wurde, von so enormer Wichtigkeit auch zur Arterhaltung der Halbdrachen.

4 Kommentare:

  1. Geniales Weihnachtsgeschenk :)

    Gleich 3 Kapitel/Folgen auf einmal *freu freu freu*

    Nur weiter so ^^ :D

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  2. Hmmm... geht es hier denn noch weiter?

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  3. Schade, dass es nicht weiter geht...

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  4. Halbblut wird fortgesetzt. Allerdings arbeite ich derzeit verstärkt an einem Jugendroman mit den Titel Eigentor?! den man auf meinem U 18 Blog verfolgen kann.

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