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Sonntag, 4. März 2012

Nacktgespenst Fridolin 14

14


Die Ereignisse vom Samstag wirkten in gewissem Sinne ‚belebend‘ auf Fridolin, so aufgedreht war er das letzte Mal, als er noch lebte. Er sah in der neuen Hülle mehr als nur eine Chance für sich, denn wann wurde es einem Geist jemals ermöglicht ein halbwegs normales Leben führen zu können, wie es Sterbliche haben? Außerdem kursierten viele Gerüchte und Vorurteile über Gespenster. Sicher, es gab einige unter ihnen, die im Leben, wie auch nach ihrem Tod Böses taten. Aber gab es nicht überall schwarze Schafe? Die meisten von ihnen waren einfach nur falsch verstandene Geschöpfe, damit würde Fridolin endgültig aufräumen können, wenn er erstmal im Theaterstück ‚Das Gespenst von Canterville‘ die Rolle des Geistes von Simon Canterville spielen würde …


„Und mein Süßer, biste bereit für die Rolle deines Lebens?“, fragte Fabio. Er hatte Fridolin direkt nach Schulschluss von seinem Bruder übernommen und war jetzt mit ihm zum Theater unterwegs, damit Fridolin seine Silikonhülle anprobieren und Kees direkt letzte Hand anlegen konnte. „Und ob ich das bin“, freute sich der im Körper des Halbitalieners steckende Geist, als sie endlich vor der Werkstatt des niederländischen Maskenbildners eintrafen. Endlich würde Fridolin seine Körperhülle in Empfang nehmen, die Kees wie versprochen fertig bekommen hatte. Darauf freute der Geist sich besonders, denn er und Fabio hatten am Sonntag Stunden vorm Kleiderschrank verbracht, um ein passendes Outfit für ihn zusammenzustellen. Damit bekleidet wollte er mit seinem Freund noch ein wenig durch die Stadt bummeln, bevor das große Vorsprechen beginnen würde. Als sie wenig später in der Werkstatt waren und Fridolin in seine Ganzkörperhülle schlüpfen konnte, staunten beide nicht schlecht, denn sie war nur eineinhalb Millimeter dick, schmiegte sich perfekt an den Astralkörper des Geistes an und fühlte sich wie echte Haut an. „Mein Sixpack, man kann mein Sixpack wieder erkennen“, strahlte Fridolin stolz. Kees hatte wirklich an alles gedacht, selbst die Vorhaut des Penis ließ sich vor und zurückschieben und legte eine lebensecht aussehende rosige Eichel frei. „Guck mal, ich kann wieder richtig wichsen“, jauchzte das Nacktgespenst und spielte ein wenig Glatze Mütze. „Du siehst richtig toll aus Schatz“, freute sich auch Fabio und hauchte seinem Freund glücklich einen Kuss auf die Lippen.

„Ein Nippelpiercing würde geil aussehen findest du nicht auch Flori?“ Die Idee gefiel Fridolin, denn er hätte früher wirklich gerne so ein Piercing gehabt. „Geht das?“, fragte das Nacktgespenst und strahlte den Niederländer aus seinen jetzt smaragdgrünen Augen an. „Das Material ist äußerst strapazierfähig, das lässt sich mit wenigen Handgriffen machen“, bestätigte Kees und wenig später hatte Fridolin einen kleinen Ring mit einer schwarzen Titankugel in der linken Brustwarze. Begeistert betrachtete sich der Geist im Spiegel. Und als er sich wenig später richtig in Schale geschmissen hatte, fiel er dem Maskenbildner glücklich in die Arme, bedankte sich tausendmal und verließ kurz drauf Hand in Hand mit Fabio die kleine Theaterwerkstatt …


„Du siehst total verschärft aus Hase“, freute sich Strichnini und ging mit seinem Freund in ein kleines Café in der Nähe des Theaters. „Sag wie fühlst du dich?“, fragte er seinen Freund, während er auf seinen Kaffee wartete. „Wie neu geboren“, antwortete das Gespenst strahlend. „Mein Freund war nach einem Unfall sechs Monate in der Reha“, log Fabio überzeugend, weil einige Gäste das junge, Pärchen neugierig musterten. „Es ist so schön, endlich wieder bei dir zu sein“, spielte Fridolin mit, bevor sich umarmten und leidenschaftlich küssten. ‚Das fühlt sich richtig gut an‘, dachte er, während ihre Zungen miteinander tanzten. „Hört sofort auf damit, so was wie Ihr wäre früher vergast worden“, nölte eine fette alte Matrone, die sich beinahe an ihrem Stück Kirschsahnetorte verschluckt hätte, als Fabio und Fridolin miteinander rumleckten. „Gerne doch gnä‘ Frau …“, begann das Nacktgespenst übertrieben höflich, „… wenn Sie uns dafür versprechen, langsam zum Friedhof zu watscheln“, trat der Geist bissig nach. Schon damals als Florian konnte er solche faschistischen Bemerkungen, ewig gestriger nicht leiden.

Aber auch Fabio schob jetzt eine kleine Hasskappe. Was bildete diese fette Seekuh, in Nerzmantel, sich eigentlich ein? „Sie wissen schon, dass wir Sie jetzt wegen faschistischen Bemerkungen anzeigen könnten?“, fragte er mit aufgesetztem Pokerface. Während die anderen Gäste gespannt den weiteren Verlauf des Gespräches beobachteten, setzte bei der Fettel Schnappatmung ein. „Was is‘ … ham Sie schlecht geschissen oder ist Ihnen die Kirschsahne im Halse stecken geblieben?“, fragte der junge Strichnini gespielt besorgt. „ZAHLEN!“, krächzte die Alte quer durchs Café. „Wir haben doch richtig verstanden, dass Sie uns alle eingeladen haben oder?“, fragte Fridolin lächelnd und gab seinem Schatz ein Zeichen, sein Handy zu zücken. Die junge Bedienung hinter der Kuchenteke konnte darüber nur schmunzeln. Endlich einmal zeigte dieser unsympathischen Alten jemand die Zähne. „Das macht dann zusammen 85 Euro und 90 Cent“, flötete die Bedienung gut gelaunt, als sie der Matrone die Rechnung vorlegte. „Hierher komm ich nie wieder“, zischte die Alte, als sie ihre Geldbörse zückte und zähneknirschend bezahlte. „Das können wir dann wohl nicht ändern“, stellte die Bedienung ruhig fest und zwinkerte Fabio und Fridolin dankbar zu.

„Was war denn das für eine?“, fragte Fridolin, nachdem die Trulla das Café wutschnaubend verlassen hatte. „Wie, ihr kennt die Mutter vom Verleger Grummlmayer nicht?“, fragte die Bedienung erstaunt. „Nö, muss man die kennen?“, entgegnete Fabio schmunzelnd. „Ne … muss man nicht unbedingt. Übrigens danke … die Alte hat uns seit Monaten mit ihrer Einstellung die Kundschaft vertrieben.“ „Oooch, dafür nicht“, wiegelte Fridolin schmunzelnd ab, „ich heiße übrigens Fri … äh Florian Schatz“, stellte der Geist sich freundlich vor. „Und ich bin Fabio Strichnini“, ergänzte der Halbitaliener zwinkernd. „Angenehm und ich heiße Feray Oktan“, stellte auch sie sich jetzt vor. „Leider müssen wir jetzt wieder los Feray, mein Süßer hier hat nämlich gleich ein Vorsprechen im Theater“, erklärte der Halbitaliener, bevor sie sich verabschiedeten …


„Worüber denken Sie gerade nach Herr Schatz?“, fragte Fabio seinen Freund vor Lachen prustend, weil er sich vorhin, als Fridolin sich mit Feray bekannt machte, doch sehr zusammenreißen musste. „Dass ich im Kollegium nachfragen werde, ob sie den Poltergeistschülern nicht heute Nacht freigeben können, um die alte Schachtel von vorhin heimzusuchen.“ „Joah, die Idee is‘ nich‘ schlecht Süßer“, reagierte Strichnini und zog den Freund in seine Arme um sich gleich darauf mit ihm ein heißes Zungengefecht zu liefern. „Ich liebe dich Fabio“, hauchte der Geist mit verliebtem Blick. „Ich liebe die auch Flori“.

Langsam mussten die beiden sich allerdings sputen, da dass Vorsprechen pünktlich um 18 Uhr beginnen sollte und Fridolin sich vorher noch umziehen musste. Er hatte sich für die Szene mit dem Kettenstring, der genau zwischen den Beinen zwei Glöckchen hatte, entschieden. Im Original wurde das Gespenst vom neuen Schlossherrn Mr. Otis aufgefordert, seine rostigen Rasselketten zu ölen. In der Inszenierung von ten Takel sollte dies eben dieser Kettenstring sein, den Simon Canterville statt dessen als einziges Kleidungsstück tragen würde. Außerdem wollte er die Szene spielen, in der er wichsend und laut stöhnend ins Zimmer der schwulen Zwillinge Stars and Stripes eindringen sollte, um ihnen fürchterlich die blanken Ärsche zu versohlen. Wobei die gerade 18 gewordenen Jugendlichen, was Simon Canterville natürlich nicht wissen konnte, auf Spanking und Bondage standen …


„Kees van Achteren hat Sie uns ja in den höchsten Tönen angepriesen, dann legen Sie mal los Herr Schatz“. Fridolin hatte Mühe den Regisseur und die beiden anderen Personen die unten im Saal in der ersten Reihe saßen zu erkennen. Der Mittlere war auf jeden Fall der Regisseur Tom ten Takel, links neben ihm saß der Intendant des Hauses Dr. Christian Wulff und rechts von ten Takel, der Souffleur dieser Inszenierung Theodor zu Guttenberg. Zu Guttenberg wurde nachgesagt, dass er bereits als Schüler und später im Studium einschlägige Erfahrungen im ‚Flüstern‘ sammeln konnte, wie Kees dem Geist kurz bevor er auf die Bühne rausmusste, noch schnell verriet. Der Maskenbildner stand genau wie Fabio hinter der Probenbühne und drückte Fridolin die Daumen für diesen ersten, wenn auch kleinen Auftritt, auf jenen Brettern, die die Welt bedeuten.

‚Grässlich dieser Kettenstring, da hätte man mir auch ‘ne Kuhglocke an den Sack hängen können‘, dachte Fridolin, nachdem er seine Ausgangsposition eingenommen hatte und den leichten Bademantel ablegte, mit dem er zuvor auf die Bühne gekommen war. ‚Jetzt gilt‘s‘, dachte der Geist, nachdem das Bühnenlicht ein wenig heruntergefahren wurde, und glitt barfuß, wie auf Schlittschuhen über die Bühne, was entfernt an den Moonwalk von Michael Jackson erinnerte.

,Ich bin ein Geist, holt mich hier raus!‘, dachte Fridolin, dem das Bimmeln der Glöckchen zwischen seinen Beinen gehörig auf denselben ging. „Hören Sie Simon … auch wenn Sie her schon seit über 300 Jahren rumgeistern, berechtigt Sie das noch lange nicht dazu, die Nachtruhe von meiner Frau und mir zu stören“, nölte Michael Herbig, der in dem Stück den reichen amerikanischen Unternehmer Paul Gates mimte und drückte ‚Simon‘ genervt, einen Seitenschneider in die Geisterhand. „Entweder Glocken abschneiden oder das Ding ausziehen“, stellte er ‚Simon Canterville‘ vor die Wahl. „Schon gut … schon gut“, entgegnete Fridolin mit rollenden Augen, gab seinem Schauspielkollegen mit bösem Blick das Schneidegerät zurück, ließ danach polternd den Kettenstring zu Boden gleiten und setzte seinen Weg mit tropfender Geistlichkeit fort. „Sehr gut … das war wirklich sehr gut“, tuschelte ten Takel leise und machte sich dabei hektisch Notizen …


„Danke … das reicht schon!“, rief er geradezu euphorisch und rückte dabei heimlich die eigene Verhärtung zurecht. „Herr Schatz, kommen Sie mal bitte zu uns runter?“, bat er Fridolin, der sich eigentlich gerade hinter der Bühne auf die nächste Szene vorbereiten wollte, nachdem er sich kurz mit seinem Intendanten abgesprochen hatte. „Also mir bleibt eigentlich nur eines zu sagen“, begann ten Takel, nachdem der splitternackte Geist sich in seiner Hülle zu der kleinen Gruppe gesellt hatte. „Sie haben Talent Florian, wenn Sie möchten, haben sie die Rolle“, beendete der Regisseur und schaute Fridolin dabei unverhohlen auf die Latte. „Und ob ich möchte“, antwortete das Nacktgespenst lächelnd, „die finanzielle Seite regeln Sie bitte mit meinem Manager“, pokerte Fridolin zwinkernd und rief nach Fabio, der wirklich kurze Zeit später mit den beiden Herren die Gage des Nacktgespenstes aushandelte, was dem Intendanten Dr. Wulff mehr als nur Schweißerlen auf die Stirn trieb, 250,- Euro pro Aufführung hatte er bisher noch nie für einen unbekannten Jungschauspieler ausgegeben. Aber was sollte er machen, dieser junge Mann war wirklich überaus talentiert und ten Takel wollte ihn unbedingt haben. Außerdem waren die Inszenierungen des exzentrischen Regisseurs nicht nur ständig ausverkauft, sondern zogen Theaterbegeisterte aus aller Welt an.

„Gut dann sehen wir uns ab Mittwoch bei den Proben und Samstag heißt es Vorhang auf für ‚Das Gespenst von Canterville‘“ …


„Und es macht dir wirklich nichts aus, wenn ich gleich hier bleibe?“, fragte Fridolin seinen Freund, der ihn bis zum Gymnasium begleitet hatte, wo der Geist aus seiner neuen Hülle rausschlüpfte, damit Fabio diese mitsamt der Kleidung in seinem Rucksack verstauen konnte. „Nein Schatz wirklich nicht, ich muss eh noch ein wenig für die Spanischklausur morgen lernen.“ „Dann bis später Liebling und vergiss nicht Massi und Bene die Backstagepässe für die Premiere am Samstag zu geben“, sprudelte es fröhlich aus dem Nacktgespenst heraus, bevor es ins Schulgebäude entschwand um sich im Lehrerzimmer noch ein wenig auszuruhen, bevor gegen 23:00 Uhr seine Kollegen eintreffen würden. Fridolin wollte sein Versprechen unbedingt einlösen und die eingebildete Spinatwachtel von Poltergeistern heimsuchen lassen. ‚Der fetten Kuh werden wir schon Manieren beibringen‘, dachte er noch, bevor er sich entspannt in die Ecke legte und seine Augen ein wenig schloss …


Als Fridolin durch das Stimmengewirr seiner Kollegen geweckt wurde, öffnete er sofort die Augen und schwebte lächelnd auf seinen Platz. „Gute Nacht, werte Kollegen, ich habe Ihnen einen Vorschlag zu unterbreiten, der ganz besonders für die Poltergeistklassen von großem Interesse sein dürfte“, begann er schmunzelnd und berichtete von den Ereignissen am Nachmittag in dem kleinen Café in der Nähe des Theaters. „Wieso konntest du dich überhaupt um diese Zeit dort aufhalten, ohne in einem Wirtskörper zu stecken?“, fragte Ghostwalker, der wie jede Nacht kurz im Lehrerzimmer vorbeischwebte. „Ich habe sein heute eine Ganzkörperhülle, die ein niederländischer Maskenbildner speziell für mich angefertigt hat“, erklärte Fridolin stolz und löste damit unter den Kollegen Verwunderung aus. „Ach ja und noch was, ab Samstag stehe ich im ‚Gespenst von Canterville“ in der Hauptrolle als Simon Canterville mehrmals pro Woche im Stadttheater auf der Bühne.“ „Ist das überhaupt möglich? Ich meine darf er das als Nacktgespenst überhaupt?“, wandte Rumpelstilzchen sich an den Leiter der Schulgeisterbehörde. „Es gab in der Vergangenheit schon einige solcher Fälle“, wusste Ghostwalker zu berichten, „Das Phantom der Oper wurde auch über Jahre von einem Geist gespielt, der in einem Theater spukte. Es gibt keine Paragrafen, die solche ortsgebundenen Spezialeinsätze verbieten“.


„Aber lasst uns jetzt noch mal auf den vorhin von Fridolin gemachten Vorschlag zurückkommen. In der Tat halte ich diesen Einsatz im Hause Grummlmayer für eine gute Sache, wo die Schüler einmal praktisch unter Beweis stellen können, was sie bisher gelernt haben“, erklärte Ghostwalker seinen ehemaligen Kollegen begeistert und bat Fridolin danach kurz vors Lehrerzimmer ...


„Frido … ich habe da mal ne‘ Frage an dich“, begann er etwas verlegen, „ich habe in den letzten Tagen viel nachgedacht. Ich würde mich gerne wieder mit Tom treffen und mit ihm zusammen sein. Glaubst du, dass dieser Maskenbildner mir auch so eine Ganzkörperhülle anfertigen könnte?“ „Ghosty, ich verspreche dir, dass ich gleich morgen nach der Probe mit Kees darüber reden werde“, bot Fridolin schmunzelnd an. Er war sich sicher, dass er eine Möglichkeit finden würde, wie die Hülle seines Vorgesetzten bezahlt werden könnte. „Danke Fridolin, du bist ein echter Freund“ …

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